11 Freunde | Ağustos 2016

[Bu röportajı TÜRKÇE olarak da okuyabilirsiniz.]

Alper Kaya, Sie schreiben für die linke Tageszeitung »Evrensel« über die Verbindungen der Mächtigen zum Fußball. Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen nach dem Putschversuch für den türkischen Fußball?
Ich glaube nicht an große Veränderungen. Dafür ist es der Regierung zu wichtig, dass der Fußballbetrieb reibungslos läuft – ganz nach dem Motto Brot und Spiele. Zudem ist die Atmosphäre in den Fußballstadien schon lange vergiftet. Bei einem EM-Qualifikationsspiel vor einem Jahr im zentralanatolischen Konya wurde eine Gedenkminute für die Opfer eines Terroranschlags auf eine Friedenskundgebung von Linken und Kurden in Ankara von den Zuschauern ausgebuht.

Wie beurteilen Sie die Verhaftungswellen gegen Anhänger der Gülen-Bewegung in Bezug auf den Fußball?
Schon seit einigen Jahren gibt es keinen Klub mehr in den oberen Ligen, der direkt von der Bewegung gelenkt wird. Allerdings sind hinter vorgehaltener Hand Namen von einigen Akteuren bekannt, denen eine Verbindung zu Gülen nachgesagt wird. Für sie sind es sehr unruhige Tage.

Wie unruhig ist es aktuell für einen regimekritischen Journalisten wie Sie?
Ich persönlich habe noch keine Einschränkungen gespürt. Aber erst neulich wurde eine unserer Sekretärinnen auf offener Straße tätlich angegriffen und als »Putschistin« beschimpft. Wenn ich im Internet User erreiche, die sonst eher auf andere Medien zurückgreifen, reagieren diese meist mit Unverständnis. Für sie ist der Machtmissbrauch kein Grund zur Empörung, sondern eben das System in der Türkei, wie es schon immer war.

Auch der türkische Fußballverband TFF wurde vergangene Woche Ziel der Ermittlungen: Über 105 Mitglieder, darunter sogar Schiedsrichter, wurden suspendiert. Wie bewerten Sie das?
Der TFF ist kein transparent arbeitender Fußballverband. Er ist wie eine geschlossene Gesellschaft mit eigenen Regeln und Gesetzen. Selbst wenn es Funktionäre mit Verbindungen zur Gülen-Bewegung gäbe, würde die Aufklärung viel Zeit in Anspruch nehmen. Längst geht es dem TFF vornehmlich um finanzielle, nicht um sportliche Fragen.

Welche Verbindung besteht zwischen Politik und Fußball in der Türkei?
Für die Mächtigen ist der Weg über den Fußball eine bequeme Methode, wenn es darum geht, Geld zu waschen, Finanzmittel zu beschaffen und natürlich an Prestige zu gewinnen. Ein einfaches Beispiel: In den unteren Ligen gibt es einige Mannschaften, die den Stadtverwaltungen gehören. Ihre Finanzierung läuft oft über die Einnahmen von öffentlichen Parkplätzen. Was aber genau mit dem Geld passiert, wird nicht hinterfragt.

Welche Rolle nimmt Präsident Recep Tayyip Erdogan im Fußball ein?
Dass sich Nähe zum Präsidenten auszahlt, gilt beispielsweise bei den Vereinschefs der großen Istanbuler Klubs als sicher. Zuletzt zog Besiktas-Boss Fikret Orman den Unmut seiner Fans auf sich, weil er Erdogan bei der Eröffnung des neuen Stadions hofierte. Besiktas-Fans waren von der Veranstaltung ausgeschlossen. Sie gelten als regierungskritisch und sollten die Feierlichkeiten nicht stören.

Wie werden die Nationalspieler in der Öffentlichkeit instrumentalisiert?
Das Aushängeschild Arda Turan zeigt genau das Profil, das die Politik von einem Spieler erwartet: Er ist stets an der Seite der Mächtigen, schweigt zu heiklen Themen und dankt auf Instagram der Polizei und der Regierung für ihre gute Arbeit.

Während der Anfangstage des Gezi-Aufstands 2013 gab es allerdings einige Nationalspieler, die zumindest indirekt Sympathien für die Demonstranten äußerten.
Unter ihnen war damals Burak Yilmaz. Heute schwört er Erdogan in den sozialen Medien ewige Treue. Unter welchem Druck die Spieler nach ihren damaligen Äußerungen standen, werden wir vielleicht erst erfahren, wenn sie Jahre später aus dem Fußballgeschäft ausscheiden und ihre Memoiren verfassen.

Fußballlegende Hakan Sükür war einst für die Regierungspartei AKP im Parlament. Mittlerweile läuft gegen ihn ein Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung, er lebt in den USA im Exil. Ist für ihn eine Rückkehr in die Türkei noch möglich?
Vermutlich erstmal nicht. Sükür steht symbolisch für die ehemals engen Beziehungen zwischen der AKP und der Gülen-Bewegung. Nun versucht man, seine Erfolge aus den Geschichtsbüchern zu streichen. Ihm gewidmete Stadien werden umbenannt und wahrscheinlich wird er sogar aus seinem Klub Galatasaray ausgeschlossen. Zwar hat Präsident Erdogan infolge des Putschversuchs einige Anklagen wegen Präsidentenbeleidigung zurückgezogen – dass Sükürs darunter ist, bezweifle ich.

Wie hat sich Nationaltrainer Fatih Terim nach dem Putschversuch positioniert?
Bis heute gab es kein Statement von Terim. Dabei ist er eigentlich dafür bekannt, den jeweiligen Machthabern nahezustehen. Aber manchmal sagen Taten ohnehin mehr als Worte: Eine Woche nach dem Putschversuch statteten Fatih Terim und Arda Turan Präsident Erdogan einen Besuch ab. Bei den Gesprächen durfte Terim direkt neben dem Präsidenten Platz nehmen, auf dem Kronprinzenstuhl.